Wetterkatastrophen: „Thüringer Sintflut“ (von Karola Hankel-Kühn)
Eines der schlimmsten Hochwasser, das das Erfurter Gebiet und große Teile Thüringens traf, ging als „Thüringer Sintflut“ in die Geschichte ein.
Am 29. Mai 1613 verwüsteten Gewitter innerhalb weniger Stunden Städte und Dörfer. Flüsse und Bäche führten bis zu 6 Meter hohe Flutwellen, die Gebäude mit sich rissen und eine große Zahl Menschenleben kosteten. Die Angabe einer genauen Opferzahl ist durch Ungenauigkeiten in den Kirchenbüchern unmöglich. Teilweise wurden Dörfer völlig zerstört. In Erfurt waren 125 Häuser durch Überschwemmung der Gera betroffen.
Ein Bericht der Unwetterkatastrophe vom 29. Mai 1613 stammt aus dem Kirchenbuch des in nur 15 km Luftlinie entfernten Niederzimmern. Alles begann bereits vier Tage zuvor, am Pfingstdienstag. Ein Gewitter in den Nachmittagsstunden brachte so viel Regen, dass es die um Niederzimmern liegenden Viehweiden und Wiesen überschwemmte, doch es kam innerhalb des Dorfes zu keinen Schäden. Auch das Gewitter am Nachmittag drei Tage später, das der Chronist als so kräftig beschrieb, wie es nie zuvor Niederzimmern „erfahren", hinterließ lediglich Schäden auf Feldern und Wiesen und verschonte das Dorf.
Aber dann kam der 29. Mai 1613, ein Sonnabend! Über Thüringen wälzten sich seit Stunden Wolken hinweg und türmten sich bedrohlich auf, bis sie sich am Nachmittag zu entladen begannen wie bereits am Dienstag, Tags zuvor und am Freitag, begleitet von Starkregen. In Niederzimmern trat die Gramme zum dritten Mal in jener Woche über ihre Ufer, noch immer ohne Gebäudeschäden. Bis kurz vor Mitternacht wüteten die Unwetter, dann trat Ruhe ein, die jedoch nur eine Stunde währte... Erneut zogen Gewitter auf und überschütteten Thüringen mit gewaltigen Regenmassen. Der Chronist in Niederzimmern notierte: „125 Häuser ... ganz und gar weggeführt, niedergerissen, überschwemmt und weggeschwemmt...“. Die Flut floss in Richtung Großmölsen und führte „... so viel Gehölze, Hausrat, Bretter, Kleider und Geräte..." mit sich fort. „Im Dorf ist unter anderem das Brauhaus, die Pfarrei, dem Böttcher, die Keller und alles was darin gewesen, so glatt und rein weggeführt worden, dass auch nicht ein einziger Stein auf dem anderen gelegen...“
Über Verwüstungen in Stotternheim gibt es keine Überlieferungen, doch auch unser Dorf war von fünf verschiedenen Gewässern umgeben: dem Lachebach, dem Mühlbach, der am Gänseried durch den Sulze-Wasserlaufsgraben gespeist wurde; der schmalen Gera, die bei Hochwasser den Bruch flutete und diesem selbst, der im Norden unmittelbar an das Untertor grenzte. Besonders gefährlich in Bezug auf Überschwemmungen konnten zu jener Zeit Mühlbach und Bruch für Stotternheim werden. Vor allem führten diese Bäche eine wesentlich reichere Wassermenge als in späteren Jahrhunderten. Bei Starkregen bestand zudem die Gefahr von Erdabgängen auf den höherliegenden Feldern am Stollberg/Galgenhügel und der Mittelhäuser Höhe. Sie konnten zwar das Dorf selbst nicht bedrohen, jedoch die Saaten vernichten und zu Ernteausfällen führen, was Hungernöte nach sich zog. Aufgrund der in Chroniken beschriebenen enorm großen Regenmengen ist davon auszugehen, dass Lachebach, Mühlbach, Wasserlaufsgraben, schmale Gera und Bruch über ihre Ufer traten und Teile der Flur des Dorfes Stotternheim überschwemmten und Schäden hinterließen. Auch die an den Schwanseer Teich grenzenden Felder erlitten Schäden durch Überflutung.